Prenzlauer Zeitung vom 2.9.2002
Trunkene Sinneslust
Musikwochen präsentieren „Carmina Burana“ in Prenzlau
von unserem Mitarbeiter Peter Buske
Verflixte Glücksgöttin, launische, wandelbare Herrscherin der Welt. Wieder einmal hat sie mich genasführt und auf einen akustisch äußerst ungeeigneten Hörplatz geführt.
Wer in dem riesigen, nachhallreichen Hallenschiff der Marienkirche zu Prenzlau bei der Aufführung von Carl Orffs „Carmina Burana“ am Sonnabend sich seinen Sitzplatz statt im vorderen Drittel in hinteren Regionen suchte, hatte ein Glückslos gezogen. Ich war leider nicht unter den Glücklichen.
Dennoch singe ich der Göttin Fortuna ein Loblied, die – im Rahmen der Uckermärkischen Musikwochen – eine Schar ausgezeichneter Sachwalter zu ihrem singenden und klingenden Eigenlob versammeln konnte.
Unter Leitung des in Prenzlau bestens bekannten Dirigenten Michael Güttler deuteten sie die lateinische, von französischen und mittelhochdeutschen Abschnitten durchsetzte Vagantenpoesie als ein Fest der Lebensfreude, der sinnlichen Lust und der unbekümmerten Klangfeier. Sie wird vom Chor bestimmt, der aus Sängerinnen und Sängern des Uckermärkischen Konzertchores sowie des Chores der Oper im Schloss Stettin (Choreinstudierung: Jürgen Bischof) gebildet wurde. Diese beeindruckende Klangmasse blieg den Anfangschor „O Fortuna“ nichts an rhythmischer Präzision und Durchschlagskraft schuldig.
Akustische Falle
Unterstützt vom Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt führte Güttler die Anruf zügig in die Ekstase – bis nur noch undifferenzierter Klangbrei zu vernehmen war.
Normalerweise lassen sich in solchen großdimensionierten Kirchen nur Stücke in mäßig bewegten Tempi spielen. Güttler widerstand der Versuchung, ob der akustischen Gegebenheiten alles über einen Dynamikleisten zu schlagen.
Stattdessen ging er das Risiko ein, in den schnellen Abschnitten feinheitenfrei und klangunterverständlich bleiben zu müssen. So entstand der Eindruck, der klarstimmige, straff artikulierende und knapp phrasierenden Chor sei mit dem warmgetönten Orchester oftmals meilenweit auseinander.
Dafür entschädigten die Solisten, durchweg junge, lyrische Stimmen. Christiane Libor führte ihren ebenmäßigen und höhensicheren Sopran sehr souverän in die lieblich herbeigesungenen Liebesgefilde. Altus Werner Buchin kündete im anrührenden Klagegesang von den Qualen des gebratenen Schwans. Von Liebesfreude und Natürerneuerung, dann der Vergänglichkeit und Nichtigkeit des Lebens, schließlich von minniglichen Werbungen sang Manuel Wiencke mit barionalem Wohllaut. Den Part des Kinderchores (im „Liebeshof“) übernahmen junge Chorsoprane, den von sabbernden Lustgreisen ausgesuchten Männerstimmen. Dennoch wurden alle Mitwirkenden stürmisch gefeiert.
Mit Carmina Burana wächst der Chor über sich hinaus
Viel Lob für Musiker und Helfer hinter den Kulissen
Prenzlau (rk). Ein wahrer Sturm der Begeisterung brach los, als in St. Marien der letzte Akkord der Orffschen „Carmina Burana“ verklungen war. Bravo-Rufe und 14-minütige Standing Ovations der 886 Zuhörer – ein größeres Lob hätten sich die 170 Chorsänger, 83 Orchestermusiker, die drei Solisten und Dirigent Michael Güttler wohl kaum wünschen können. Das im Rahmen der Uckermärkischen Musikwochen aufgeführte Werk von Carl Orff war Wagnis und Herausforderung. Seit Anfang des Jahres probte der Uckermärkische Konzertchor gemeinsam mit zahlreichen sangesfreudigen Mitstreitern, die an dem Projekt Gefallen fanden. Dass die Carmina Burana kein Spaziergang würde, beschrieb Jürgen Bischof, musikalischer Leiter des Uckermärkischen Konzertchores, bereits zu Beginn der Proben. „Es ist ein Werk, das den Sängern und Musikern viel abverlangt. Denn es ist geprägt von Gegensätzlichkeit und unglaublicher Dynamik.“ Doch Sänger und Musiker haben die Aufgabe mit Bravour gemeistert.
Gemeinsam mit den Solisten Christiane Libor, Werner Buchin, Manuel Wiencke, dem Chor der Oper im Schloss Stettin, dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt und unter Leitung des Dirigenten Michael Güttler gelang es dem Uckermärkischen Konzertchor Prenzlau, das Publikum rund eine Stunde lang zu fesseln. „Der gesamte Chor ist über sich selbst hinausgewachsen“, lobt ein eher als kritisch bekannter Chorleiter Jürgen Bischof die Leistung der Sängerinnen und Sänger. „Auch von Herrn Metzmacher wurden wir bei den Vorbeireitungen tatkräftig unterstützt“, zeigt er sich dankbar.