Nordkurier vom 26.10.2009
Gratulation für „Jubilate“
Konzertnacht. Händel, Haydn und Mendelssohn sind in diesem Jahr Jubilare – ein willkommener Anlass, ihnen einen besonderen Abend zu widmen.
Von Michael Baumgartl
Neubrandenburg. Georg Friedrich Händel starb vor 250 Jahren. Joseph Haydn starb 1809, in dem Jahr, als Felix Mendelssohn Bartholdy gerade geboren wurde. „Jubilate“ überschrieb daher die Neubrandenburger Philharmonie ihre 27. Konzertnacht. Gejubelt hat am Ende der langen Samstagnacht das Publikum, das die Konzertkirche wieder gänzlich gefüllt hatte.
Von allen drei Komponisten sind große Oratorien für Soli, Chor und Orchester bekannt und beliebt. Dafür waren drei Chöre engagiert worden, die sich zu einem Riesenchor vereinten: der Konzertchor der Deutschen Staatsoper Berlin, der Uckermärkische Konzertchor Prenzlau und der Philharmonische Chor Neubrandenburg. Sie füllten mit Ausschnitten aus Haydns „Schöpfung“, dem „Elias“ von Mendelssohn und dem Halleluja-Chor aus Händels „Messias“ die Eckpunkte der drei Programmteile.
Als Solisten gesellten sich dazu die Sopranistin Frauke Thalacker, der Tenor Oliver Uden und der junge Christian Henneberg von der Rostocker Musikhochschule, der mit klangschönem Bariton die Arie „Herr, Gott Abrahams“ der Baal-Anrufung aus dem Elias anfügte.
Dabei war es für Chefdirigent Stefan Malzew nicht ganz einfach, die räumlichen Distanzen zwischen Chor, Solisten und Orchester so zu überbrücken, dass die Gruppen im Tempo nicht auseinanderliefen. Doch litt die Großartigkeit der Chorszenen kaum darunter.
Dann stellte Malzew jedem Jubilar einen Zeitgenossen mit einem bekannten Werk als „Gratulant“ zur Seite. Da gehörte Beethoven zu seinem Lehrer Haydn, und zwar mit – na klar, mit dem 1. Satz aus der 5. Sinfonie: Tatatataah. Und auf genau diesen Text wurde das Stück gesungen. Jawohl, nicht vom Orchester gespielt, sondern a cappella gesungen von einem jungen Vokalsextett aus Bremen unter dem Namen Boys in Concerts (BICs). Das war ein Gaudi, an dem sich nicht nur das Publikum, sondern auch die Musiker des Orchesters sichtlich amüsierten. Nicht alle harmonischen Modulationen waren astrein intoniert, doch was tut das schon bei so wirkungsvollem Gag!
Auch das zweite Stück, ein gesungener Grundkurs in Musiklehre mit Funktionsbezeichnungen und Tonnamen, zeigte sich als ebenso verrückter wie hinreißend dargestellter Einfall. Am Schluss gaben die sechs jungen Sänger noch eine Zugabe aus ihrem eigentlichen Repertoire: „Das Leben ist zu kurz“ mit Rap-artiger Textgestaltung und poppiger Begleitung mit vokaler Schlagzeugimitation. Begeisterter Applaus für eine überraschende Klangfarbe im Programm!
Der Rest war arrangierte und improvisierte Musik, die für jeden Teil einen neuen Dreh bereit hatte und die Zuhörer jedes Mal verblüffte. Hauptakteure waren der Posaunist Mike Svoboda und sein Percussionist Michael Kiedaisch, dazu Malzew am Flügel. Svoboda spielte auf einem Plastikrohr wie auf einem Didgeridoo, Bach auf der Posaune mit Dämpfer, Schumanns „Träumerei“ auf einem Alphorn. Das waren jedoch nicht einfach verrückte Ideen, sondern es entstand tolle Musik daraus, wie die faszinierend stille Atmosphäre bei der Improvisation über Händels berühmtes Largo. Auch dass es sich bei diesen Stücken um allbekannte Highlights handelt, sollte nicht stören, denn ihre überraschenden Klangfassungen nötigten zum genauen Hinhören und zum Vergleich mit dem Original in der Erinnerung. Und gerade das fand beim Publikum großen Beifall.
Prenzlauer Zeitung vom 28.10.2009
Prenzlauer Chor beweist Qualitätssprung
Auftritt. Das Uckermärker Ensemble ist bei der Neubrandenburger Konzertnacht dabei und stellt fast die Hälfte der 140 Choristen – eine Herausforderung.
Von Wolfram Otto
Prenzlau. „Ich denke, wohl jedes Mitglied des Konzertchores hat mit dem Einsatz bei der Neubrandenburger Konzertnacht einen Qualitätssprung nachgewiesen“, zeigte sich Jürgen Bischof, künstlerischer Leiter des Uckermärkischen Konzertchores Prenzlau, unmittelbar nach dem Auftritt bei der Neubrandenburger Konzertnacht sichtlich zufrieden. Erstmals waren die Prenzlauer dort vertreten und stellten nahezu die Hälfte der 140 Choristen. Eine besondere Herausforderung: das Zusammenwirken mit dem Philharmonischen Chor Neubrandenburg, dem Konzertchor der Deutschen Staatsoper Berlin sowie dem Orchester der Neubrandenburger Philharmonie.
Die 27. Neubrandenburger Konzertnacht war dem Schaffen von Haydn, Händel und Mendelssohn Bartholdy gewidmet. So intonierten die Chöre Teile aus Haydns „Schöpfung“, das berühmte „Halleluja“ aus Händels „Messias“ sowie Ausschnitte aus dem Oratorium Elias und der Erstfassung der „Reformationssinfonie“ von Mendelssohn mit dem Choral „Ein feste Burg ist unser Gott.“ Dass das fast fünfstündige Konzert nie langweilig wurde, war den Ideen Stefan Malzews zu danken, der sich einige Cross-Over-Überraschungen einfallen ließ. So wurden Teile der Schöpfung ebenso wie das Largo von Händel mit Posaune, Klavier und Perkussionsinstrumenten jazzig dargeboten. Und die „Träumerei“ von Schumann auf dem Alphorn intoniert, gibt es auch nicht jeden Tag zu hören. Ein ganz besonderer Gag: Der erste Satz der 5. Sinfonie Beethovens wurde als A-capella-Version von der jungen Gruppe „Boys in Concert“ aus Bremen dargeboten.
„Es war ein Erlebnis, dass wir dabei sein durften“, resümierte Bischof. „Es hat sich eben inzwischen auch bis Neubrandenburg herumgesprochen, was wir leisten können.“ Den Hauptverdienst daran hätten aber die Sänger, die durch hohe Einsatzbereitschaft und Verzicht auf manche Stunde Freizeit sich in den letzten Monaten der Herausforderung stellten. „Allein das vergangene Wochenende war mit der Generalprobe am Freitag in Neubrandenburg, dem Einsingen und dem Konzert eine Höchtstbelastung für unsere Hobbysänger.“
Eine Woche ist nun probenfrei, dann beginnt die Vorbereitung auf die Weihnachtskonzerte in der Nikolaikirche. „Da ist erneut intensive Arbeit gefragt, denn wir sind relativ spät dran, haben aber den Ehrgeiz, unserem Publikum wieder ein Spitzenkonzert zu bieten.“