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CD Mendelssohn & Dvorak

Aus dem Booklet der CD

Zwischen Kirche und Konzertsaal

Von Peter UIIrich

Die neue CD Mendelssohn und DvorakEs sind gleich mehrere glückliche Umstände im Leben von Felix Mendelssohn Bartholdy, die ihn mit den Werken Johann Sebastian Bach’s in Berührung brachten. Den ersten Klavierunterricht erhielt er von seiner Mutter, die Bach über alles liebte. Als er mit elf Jahren Sänger der Berliner Singakademie wurde, deren musikalischer Leiter der große Bachverehrer Carl Friedrich Zelter war, da lernte er bereits Bachs Kantaten und Motetten schätzen. Vor allem aber seine intensiven Heidelberger Gespräche mit Justus Thibaut, dem Vertreter des italienischen „a-cappella-Stils“ trugen dazu bei, eines der bedeutendsten Werke Bachs, die Matthäuspassion in Berlin zur Aufführung zu bringen. Trotz großer Bedenken und heftiger Einwände Zelters gelang es ihm schließlich, letztlich aber auch mit Hilfe Zelters, Bachs Matthäuspassion am 11. und 21. März 1829 mit riesigem Erfolg zur Aufführung zu bringen. Das war dann auch die Stunde der gewaltigen Wiederentdeckung Johann Sebastian Bachs, die ohne den fortdauernden und unablässigen Einsatz Mendelssohns wohl noch hätte auf sich warten lassen.

Felix Mendelssohn Bartholdy schrieb den 42. Psalm „Wie der Hirsch schreit nach frischemWasser“ im Jahre seiner Hochzeit mit der Pfarrerstochter Cécile Jeanrenaud. Eine wunderschöne Frau, von der ein Freund schrieb: „… ihr Umgang war so wohltuend ruhig, so erquickend wie die reine Himmelsluft oder das frische Quellwasser…“. Vielleicht war es gerade der Vergleich mit dem Quellwasser, der Mendelssohn zum Komponieren des 42. Psalms bewegte. Denn das Werk entstand überwiegend während der Hochzeitsreise, die das Paar in den Schwarzwald und den Elsass führte. Die Uraufführung fand 1838 im Leipziger Gewandhaus unter der Stabführung des Komponisten statt. Robert Schumann sagte, das Werk sei „die höchste Stufe, die Mendelssohn als Kirchenkomponist, ja die neuere Kirchenmusik überhaupt, erreicht hat“.

Der 42. Psalm beginnt mit einem wunderbar weichen Eingangschor, einem von den Altstimmen kontrapunktisch vorgestellten Thema und dem beinahe intimen a cappella Abschnitt „… schreit meine Seele, Gott, zu Dir“ am Schluss. Dieser erste musikalische Eindruck erinnert stark an die Eröffnungen Bachscher Passionsmusiken, sowohl in derThemenwahl als auch in der strengen polyphonen Durchführung.

Herrlich der Dialog „Meine Seele dürstet nach Gott“ des Sopranes mit der Oboe, bei dem der alte Bach wohl Pate gestanden hat. Auf den kraftvollen Chor „Was betrübst du dich, meine Seele“ folgt das innige Sopran-Rezitativ „Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir“ voller tiefer, heftiger Gefühlsausbrüche. lm Zwiegespräch zwischen dem Sopransolo und den Männern „Der Herr hat des Tages verheißen seine Güte“ lässt Mendelssohn seine ganze Verehrung für den großen Bach noch einmal aufblühen. Der Schlusschor nimmt das Thema des vierten Teiles wieder auf und mündet in einer breit angelegten Fuge „Preis sei dem Herrn“.

Dieser 42. Psalm erfreut sich seit seiner Uraufführung einer Popularität, wie man sie selten bei derartigen Werken findet, was wohI auf seine unendlich schöne, ergreifende und zu Herzen gehende Tiefe zurückzuführen ist.

Die Präsidentin des New Yorker National Conservatory of Music Jeanette Thurber fragte Antonin Dvořák im Juni 1891 per Telegramm: „Würden Sie ab Oktober 1892 eine Anstellung als Direktor des New Yorker Konservatoriums annehmen?“. Der eigentliche Gedanke von Jeanette Thurber im vierhundertsten Jahr der Entdeckung Amerikas war aber der, Amerika von der musikalischen Abhängigkeit der Musik Europas zu befreien und eine eigene Musikkultur zu schaffen, also aus dem buntscheckigen Vielerlei der Kulturen eine neue nationale Tonsprache zu entwickeln. Antonin Dvořák war wohl einer der weitgereisten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Allein neunmal war er in England und zweimal in Amerika. Aber die Sehnsucht führte ihn immer wieder in seine böhmische Heimat zurück. 1892 in Amerika angekommen schrieb Dvořák an einen Freund: „Die Amerikaner erwarten große Dinge von mir, vor allem soll ich ihnen den Weg ins gelobte Land und in das Reich der neuen, selbständigen Kunst weisen, kurz, eine nationale Musik schaffen“. Und an anderer Stelle schreibt er dazu: „lch bin überzeugt, dass die zukünftige Musik dieses Landes auf dem basieren muss, was man Negerlieder und indianische Rhythmen nennt“. Mit der Musik der Farbigen und der lndianer ging Dvořák ähnlich um wie er es mit der Volksmusik seiner böhmischen Heimat tat. Und so hat er auch seine 9. Sinfonie, entstanden 1893 in Amerika, „Aus der Neuen Welt“ und nicht etwa „Die neue Welt“ genannt. „Aber den Unsinn, dass ich indianische oder amerikanische Motive verwendet hätte, lassen Sie aus, weil das eine Lüge ist. lch habe nur im Geiste dieser amerikanischen Volkslieder geschrieben“. Wenn auch Dvořák sich im dritten Satz, dem Scherzo, auf die Szene einer „Waldfeier und die tanzenden lndianer“ bezieht, so bleibt er sich und seiner Heimat treu, denn im Trio lässt sich nur zu deutlich das Heimweh nach seiner böhmischen Heimat erahnen.

Als Antonin Dvořák nach Amerika kam, um seine Direktorenstelle im Konservatorium anzutreten, bat man ihn, ein Werk zum 400. Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus zu schreiben. Da aber ein geplantesTextbuch nicht rechtzeitig fertig wurde, komponierte er ein „Te Deum“, einen feierlichen, lateinischen Lob-, Dank- und Bittgesang der christlichen Kirche. Am 21. Oktober 1892 wurde das Werk vom Komponisten in der Carnegie Hall in New York feierlich mit über 300 Sängern und einem riesigen Orchester aufgeführt. Vor dem Konzert wurde nach dem Bericht eines Zeitzeugen eine Rede mit dem Titel „Zwei neue Welten: Die Neue Welt von Kolumbus und die Neue Welt der Musik“ gehalten. Man setzte in den USA große Hoffnung in den tschechischen Nationalkomponisten. Das „Te Deum“ von Antonin Dvořák op.103 ist sein letztes geistliches Werk, geschrieben für Sopran und Bass-Solo, vierstimmigen Chor und großes Orchester. Die vierteilige Gliederung erinnert mehr an eine Sinfonie als an ein sakrales Werk, zumal die Tempoangaben einer solchen entsprechen und die Musik stark folkloristische Züge trägt.

Der erste Teil „Te Deum laudamus“ beginnt mit einer gewaltigen chorischen Lobpreisung des Herrn, dem ein ganz zartes verinnerlichtes Sanctus des Solosopranes folgt. Herrliche böhmische Musik kommt im Bass-Solo des „Tu Rex gloriae, Christe“ zum Klingen. Wunderschön auch der Wechsel zwisahen Frauen- und Männerchor in einem rasanten musikalischen Perpetuum voller Esprit und Deftigkeit, dem „Aeterna fac cum Sanctis tuis“. Den Abschluss bildet das „Dignare, Domine“, das im zarten Lento beginnt, sich aber immer mehr in einen hymnischen Gesang steigert und mit jubelnden Alleluja-Rufen endet. Johannes Brahms soll wegen der Wuchtigkeit des gesamten Werkes einmal scherzhaft bemerkt haben: „DasTe Deum ist wohl für die Feier der Zerstörung Wiens und Berlins durch die Böhmen gedacht und scheint mir dafür auch recht geeignet.“

Auch der Konzertmitschnitt der vorliegenden CD-Produktion kündet von den vielfältigen musikalischen Ausdrucksformen der Komponisten. Dabei kann sich wohl kein Hörer der Monumentalität der Finalsätze beider chorsinfonischer Werke und der Lebendigkeit ihrer lnterpretation entziehen. 22 Stettiner, 36 Ustermer und 57 Prenzlauer Chorsängerinnen und Chorsänger fanden sich mit 45 Orchestermitgliedern zum Lob der Musik und ihrer Schöpfer in der Nikolaikirche Prenzlau zusammen.

Die Aufnahme ist ein gelebtes Dokument musikalischer Übereinstimmung und freundschaftlicher Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg.


Uckermarkkurier vom 10.04.2014

Drei Nationen feilen an einem klingenden Geburtstagsgeschenk mit

Mendelssohn und Dvorak stehen Pate für ein Vorhaben von Chören der Uckermark, der Schweiz und Polens.

Von Monika Strehlow

Prenzlau. Ein bisher einmaliges gemeinsames Musikprojekt der Uckermark, der Schweiz und Polens ist auf eine Scheibe gepresst worden. Quasi noch druckfrisch lag am Dienstag die jüngste CD-Produktion des  Uckermärkischen Konzertchor e.V. auf dem Tisch von Jürgen Bischof, der das Konzert dirigierte. Der Live-Mitschnitt des multinationalen Konzertes in der Prenzlauer Nikolaikirche ist der krönende Abschluss.  Gemeinsam mit dem Kammerchor Uster und dem Chor der Camerata Nova Szczecin bringen die uckermärkischen Sänger Werke von Mendelssohn und Dvorak zu Gehör, musikalisch begleitet vom Preußischen Kammerorchester.

Freundschaftliche Kontakte in die Schweiz pflegt der Konzertchor schon seit den 1990er Jahren. Der künstlerische Leiter Jürgen Bischof gehört selbst zu den Uckermärkern, die als einer der Ersten Kontakte in die  Alpenrepublik knüpften. Später entwickelten sich auch aus diesen Begegnungen und Treffen anderer Prenzlauer mit Ustermern die bis heute andauernde Städtepartnerschaft. Das mag einer der Gründe sein, warum  das gemeinsame Projekt eines Klassikkonzertes von den Oberhäuptern beider Städte aufmerksam beobachtet wurde. Schließlich hatten sie auch die Schirmherrschaft über das Projekt übernommen. Doch so viele Treffen und Gegenbesuche beider Seiten es auch schon gibt, handelte es sich um das erste gemeinsame Chorkonzert. So unterstützten auch andere diese Konzerte, etwa die Bürgerstiftung der Sparkasse Uckermark,  der Städtepartnerschaftsverein Prenzlau oder die Kommunen.

Den ersten Anstoß lieferte die Einladung der Schweizer zum 60. Jahrestag des Kammerchores Uster. Es sollte ein besonderes Konzert geben. Nachdem sich die Chöre und Orchester aufs Programm geeinigt hatten,  studierte es jeder für sich ein. Erst kurz vor der Premiere unter Leitung von Thomas Schacher gab es gemeinsame Proben. Mit dabei war das Schweizer Collegium Cantorum. Und die Gäste in der Reformierten Kirche waren hellauf begeistert, kann sich Bischof gut erinnern. Im Oktober hatten auch die Prenzlauer dieses Vergnügen. Jürgen Bischof ist sichtlich stolz auf das künstlerische Niveau und scheute nicht den Aufwand einer  CD-Produktion, die gemeinsam mit der Uckermärkischen Kulturagentur herausgegeben wurde.