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13./14. Dezember 2008: Weihnachtskonzerte

Prenzlauer Zeitung vom 15.12.2008

Trinken fürs Geläut und Singen für die Seele

Von Peter Buske

Prenzlau. In der Arena di Verona wird vor Vorstellungsbeginn lauthals „Birra e Gelati“ angepriesen. In der Prenzlauer Nikolaikirche ist’s – jahreszeitlich angepasst – die Anpreisung von dampfendem Glühwein, dessen markanter Duft durch das übervolle Kirchenschiff zieht und vorweihnachtliche Gefühle erzeugt. Später wird der Pfarrer von der Kanzel verkünden, dass man mit eifrigem Trinken dem künftigen Geläut von St. Nikolai finanziell unter die Arme greife. Wie es sich für die Adventszeit gehört, schwebt im Altarraum der Stern von Bethlehem, lenkt ein exquisit gewachsener Weihnachtsbaum die Blicke auf sich. Er ist nur mit strohgeflochtenen Sternen behangen – Öko im Gotteshaus.

Den Herrn wird’s erfreuen, genauso wie der Gesang zu seiner erwarteten Geburt. Dafür ist der Uckermärkische Konzertchor mit seinem traditionellen „Konzert zur Weihnachtszeit“ zuständig, das am Wochenende wegen der großen Nachfrage vier Mal gegeben wurde. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man, dass die Männerriege durch Hans-Peter Moser, Bürgermeister und Ex-Bratscher der „Preußen“, prominente Verstärkung erfahren hat. Wird sie deshalb besser klingen? Wohl kaum, denn seine Stimme ordnet sich der mittleren Lage unauffällig ein.

Dafür ist (und bleibt) die Tenorgruppe ohnehin das schwächste Glied in der Stimmenkette. Dagegen muss man der kompletten Damenmannschaft ein großes Kompliment machen, was Stimmenreinheit, homogenes Zusammenklingen, weich und warm getöntes Singen betrifft. Adolphe Adams „Cantique de Noël“ oder der Cherubim-Hymnus von Dmitri Bortnjanski künden davon auf gar prächtige Weise.

Wie bei solchen Anlässen üblich, wechseln geistliche Gesänge mit weltlichen Weisen, gibt es folkloregeprägte Weihnachtslieder aus Griechenland, England, Portugal und Sizilien, die allesamt mit großer Gefühlsgeste vorgetragen werden. Gefällige und pastoral geprägte Strophenlieder, beispielsweise von Engelbert Humperdinck und Daniel Schubart, mischen sich mit kunstvollen mehrstimmigen Chorsätzen. Letztere stammen von Jürgen Bischof, der auch das künstlerische Aufgebot umsichtig leitet. Dazu gehört auch das anpassungserfahrene, solide musizierende Preußische Kammerorchester. Für die Truppe hat Ensemblemitglied Eugen Moldovan die instrumentalen Arrangements geschrieben. Im Falle von Rudolf Mauersbergers „Jauchzet, ihr Himmel“ aus der „Christvesper des Dresdner Kreuzchors“ mit einer die Melodie regelrecht erschlagenden brachialen Freude durch geradezu militärisch auftrumpfende Pauken und Trompeten. Der Piccolo-Trompeter Marko Schindler sorgt mit seinen strahlkräftigen Zutaten für besonders prächtigen Glanz mancher Barockpiece aus vorrangig Händelscher Feder („Tochter Zion, freue dich“, „Singt unserm Gott“). Für seinen solistischen Auftritt hat er sich dessen B-Dur-Konzert erwählt. Den adagiosanften Beginn bläst er mit weichem und sicherem Ansatz, während das Allegro im trillerreichen Strahlen erblüht.

Einem verinnerlichten Largo folgt ein glanzvolles Vivace. Klangdezent meistern die „Preußen“-Streicher ihren eigenständigen Beitrag, ein Allegro von Tomaso Albinoni. Und auch das zweimalige gemeinsame Singen mit dem Publikum klappt wie stets vorzüglich. Wer will kann sich anschließend noch einen Glühweinnachschlag einschenken lassen.


Prenzlauer Zeitung vom 15.12.2008

Weihnachtskonzert 2008 (Foto: Oliver Spitza)

Prenzlau (OS). Über 2000 Gäste kamen am Wochenende zu den vier großartigen Weihnachtskonzerten des Uckermärkischen Konzertchores in die Prenzlauer Nikolaikirche. Seit 1991 begeistert der Chor kurz vor dem Fest das Publikum, zum zehnten Mal war dabei das Preußische Kammerorchester Partner. Die über 100 Sänger und Musiker brachten unter der Leitung von Jürgen Bischof traditionelle, aber auch unbekannte  Titel zu Gehör. Erstmals hatte der Chor so zum Beispiel das „Jauchzet, ihr Himmel“ von Rudolf Mauersberger, das Weihnachtslied von Engelbert Humperdinck oder ein griechisches Folklorelied im Repertoire.


Prenzlauer Zeitung vom 17.12.2008

Glosse: Ganz nebenbei
Fröhlich sein und singen

Von Oliver Spitza

Der Uckermärkische Konzertchor ist in der Krise. Vor 17 Jahren begann man mit einem Weihnachtskonzert, es folgten zwei, drei, nun ist man bei vier. Wenn es in diesem Tempo weitergeht und man mal an 24 Adventstagen je ein Konzert (oder an einem Tag 24 Konzerte, was ja mathematisch gesehen gleich ist) geben will, braucht man 102 Jahre. Das werden wahrscheinlich einige Sänger und auch Zuhörer nicht mehr erleben. Oder nehmen Sie die CD-Produktion. In 17 Jahren sind sechs CDs entstanden. Wenn man einen schlichten Baumarkt-CD-Ständer mit 46 Fächern mit Musik des Uckermärkischen Konzertchores füllen will, benötigt man bei diesem Produktionsausstoß 131 Jahre. Dann gibt es wahrscheinlich keine CD-Abspielgeräte mehr. Die Krise ist also berechenbar, aber ist sie auch lösbar? Die lokale Musikwissenschaft hat sich zwei Nächte den Kopf zerbrochen und die Lösung gefunden: Der bischöfliche Generalmusikdirektor hat die falschen Werke ausgewählt. Immer nur „Jauchzet und frohlocket“, weil vor 2000 Jahren in einer hinteren Stallecke irgendwo im vorderen Orient ein gelockter Knabe geboren wurde – das wird mit den Jahrzehnten langweilig. Und verprellt vielleicht die Eltern, deren Kinder nicht mit Lockenpracht gesegnet sind. Und die hygienischen Bedingungen sind doch heute viel besser, aber haben Sie jemals gehört, dass einer eine „Ode an die Geburtshilfeabteilung“ oder eine „Kreiskrankenhaus-Jubelkantate“ gesungen hat?! Dabei hat Prenzlau offenbar schon viele Komponisten inspiriert. Nehmen Sie Rudolf Mauersberger, dessen „Jauchzet, ihr Himmel“ der Chor ja trällerte. Dabei wäre ein anderes Werk von ihm viel passender gewesen, die Marktberg-Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“. Oder nehmen Sie die schönen Prenzlau-Lieder von Georg Schumann („Dich wollt ich vergessen“ oder „Ach, wie so gerne bleib ich euch ferne“). Oder das schöne Rohrteich-Liedchen „Der Mensch geht eine dunkle Straße“ von Carl Friedrich Zelter. Oder die heimliche Hymne der Prenzlauer Westimporte „O wär ich am Neckar, o wär ich am Rhein“ von Franz Abt. Also, lieber Chor: Fröhlich sein und singen.