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01.10.2016: 60. Geburtstag Jürgen Bischof

Prenzlauer Zeitung vom 01.10.2016

Glückwunsch für den Tausendsassa der Musikszene

Jürgen Bischof ist eine lnstitution in der uckermärkischen Kulturszene. Heute wird der aus Thüringen stammende Familienvater von drei Kindern 60 Jahre jung. Dazu gratuliert ihm seine Heimatzeitung ganz herzlich.

Von Monika Strehlow
Jürgen Bischof (Foto: Monika Strehlow)Uckermark. Als der Internationale Musikrat der UNESCO 1975 den ersten Weltmusiktag aus der Taufe hob, war Jürgen Bischof noch Student an der Weimarer Hochschule für Musik „Franz Liszt“. Doch seitdem kann der aus Erfurt stammende Prenzlauer sagen: Ich habe am Weltmusiktag Geburtstag, was seinem Lebensprogramm gleichkommt. Denn an seinem heutigen 60. Geburtstag schaut Jürgen Bischof auf ein prall mit Melodien und Rhythmen, auch mit Dissonanzen gefülltes Leben als Musiker, Chorleiter, Dirigent und Kulturmanager. Es ist unmöglich, an diesem Platz alles komplett zu beschreiben, was er in der Regel von Null an aufgebaut hat, worüber er sich von Herzen freute und was ihn zutiefst erschütterte.

Jürgen Bischof(Foto: Monika Strehlow)Doch zum Glück arbeitet er an einem Buch, in dem er der Musikszene Prenzlaus und der Uckermark nachspürt. Denn nichts ist so schnell vergessen wie die Gegenwart, die in der Erinnerung oft verfälscht wird. Darin sieht er sich in seinen Nachforschungen häufig bestätigt. Zum Beispiel beim Schicksal von Heinz Paul, der in den 1950er Jahren den Chor der damaligen Puschkin-Oberschule zu einem der profiliertesten entwickelte. Kurz vor dem Mauerbau verließ Paul den Osten nicht ganz freiwillig, worum sich noch immer Gerüchte ranken. Jürgen Bischof, der mit dem Jugendchor am Prenzlauer Gymnasium den Nachfolger des Ensembles leitet, gelang es, den Vorgänger aufzuspüren und kurz vor dessen Tod auch über dieses Kapitel zu sprechen. Noch verrät er kaum etwas darüber. Schließlich ist sein Buch noch nicht abgeschlossen.  Solange er in beruflichen Pflichten steht, fehlt ihm ganz  einfach die Zeit, diese zu Arbeit forcieren. Außerdem: Kann er vor dem eigenen Ruhestand überhaupt einen Punkt setzen? Er selbst gestaltet doch als Tausendsassa der Musikszene entscheidende Kapitel mit.

Prenzlau brachte er absolut nicht mit Musik in Verbindung

Jürgen Bischof (Foto: Franz Roge)Mit dem Diplom in der Tasche musste er 1978 als Musikschullehrer nach Prenzlau, dessen Namen er mit Musik absolut nicht in Verbindung brachte. Die Ankunft war ernüchternd, die Bedingungen deprimierend, erinnert er sich. Am liebsten wäre er sofort wieder umgekehrt. Dahin wo er als Abc-Schütze Klavier lernte. Das Adoptivkind Jürgen wuchs in einer selbstständigen Handwerkerfamilie auf, die ihr Selbstbewusstsein gegen staatliche Grenzen  behauptete. Ihr Junge durfte am Opernhaus Erfurt im Kinderballett tanzen und im Kinderchor singen. Der damalige Erfurter Kaplan Joachim Meißner, der spätere Erzbischof von Köln, erkannte die musischen Gene des heranwachsenden „Bischof“. „Ihm verdanke ich, dass ich zu den Kapellknaben an der Dresdner Kathedrale kam. Meine Eltern nahmen die finanzielle Belastung auf sich, weil sie mir eine gute musikalische Ausbildung ermöglichen wollten“, spricht er heute noch voll Dankbarkeit über sie.

In Prenzlau war es Musikschuldirektor Wilhelm Stein, der dem jungen Absolventen den Rücken stärkte. Selbst als Jürgen Bischof den ihm verordneten Ort wieder verließ und nicht zurückkommen wollte, bevor er nicht eine menschenwürdige Unterkunft erhält. „Wilhelm Stein sagte zu mir: Junge, mach mal. Nach einem halben Jahr war ich wieder da.“ Und ist geblieben. Er fand seine Christiane, eine Kindererzieherin, zog mit ihr drei Kinder auf und stürzte sich in die Arbeit. 1980 wurde ihm die Leitung der Musikschule übertragen, damit war er der jüngste Musikschuldirektor der DDR. An der Puschkin-Oberschule leitete er den Chor, der sich unter der sich  ausbreitenden Welle von Singeklubs der Freien Deutschen Jugend im Wandel befand. Daraus ging später der Jugendchor am Christa- und Peter-Scherpf-Gymnasium hervor. Zur Wende  nahm er die Puschkinchor-Tradition wieder auf und übernahm die Leitung auch des Uckermärkischen Konzertchores, legte die ersten Konzerte im Friedgarten auf.

Seit Mai 1996 ist er außerdem Intendant des Preußischen Kammerorchesters, mit dem er 2003/04 ein Tief durchwanderte, das keinen ungeschoren ließ. Wegen der Auflösung des Orchesters wurde er als Kulturvernichter beschimpft, was ihn bis ins Mark traf. Allen Schwierigkeiten zum Trotz sorgt er seit 2004 als Geschäftsführender Direktor der Uckermärkischen Kulturagentur für das Orchesterangebot im Landkreis, der sich jüngst zur weiteren Unterstützung des Preußischen Kammerorchesters bekannte. Mit den Musikern und den vielen Sängern der ehrenamtlichen „Bischofchöre“ – zu denen auch der Prenzlauer Kammerchor gehört – trug der Mann den  musikalischen Ruf der Uckermark hinaus.

Zudem begründete er Traditionen, deren Erfolge andere neidlos anerkennen. Reihen wie die Weihnachtskonzerte sorgen auch nach 25 Jahren noch fiir gefüllte Konzertbänke. Die Kooperation mit polnischen Künstlern geht auf sein Wirken und die Freundschaft zu dem ehemaligen Direktor des Stettiner Schlosses der Pommerschen Herzöge, Eugeniusz Kus, zurück. So holte Bischof etwa einen Teil des Internationalen Stettiner Chorfestivals in die Region und gründete die Reihe „Berühmte Chöre zu Gast in Prenzlau“. Seit 1990 arbeitete unter vier Landräten als Chef von zwei Kreiseinrichtungen und erlebte drei Bürgermeister, die er immer auf die Seite der Musik ziehen konnte.

Wie das alles zu schaffen sei? Das sei schlicht eine Frage von Organisation, Zeiteinteilung und Leidenschaft. Man müsse Prioritäten setzen, ohne etwas zu vernachlässigen. Er habe das Glück, sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Außerdem habe er eine Familie, die ihn auffangen könne, und eine Frau, die hinter ihm stehe und ihn gelegentlich erde, sagt Bischof. „Ohne sie hätte ich das alles nicht bewältigt. Und schon gar nicht ohne unsere Omi Christa Fandrey. Bis zu ihrem Tod vor vier Jahren stand sie uns immer zur Seite, hat die Kinder versorgt, wenn wir beide musikalisch unterwegs waren.“

Familie könne Auffangbecken und Kraftquell sein. „Als uns unser Jonathan vor einem Jahr zum Beispiel eröffnete, dass wir Oma und Opa werden, waren wir völlig  überrascht, wie konsequent der Junge plötzlich Verantwortung übernahm.“ Doch wie alle glücklichen Großeltern wollen auch Christiane Bischof und ihr Jürgen möglichst viele Momente des Enkelchens Oscar miterleben.

Die beiden sind stolz auf ihre Sprösslinge, die alle vom Erziehervirus angesteckt wurden und die Musik lieben. Die Töchter Tamina und Cosima singen in seinen Chören mit. Was kann sich Jürgen Bischof also noch wünschen für die nächsten Jahre? „Natürlich weiß ich, dass es nicht unendlich so weitergeht. Ich werde auch lernen müssen loszulassen“, antwortet er nachdenklich. Doch dieser zerbrechlich wirkende Mann wäre nicht er selbst, würde er nicht schon neue Zukunftspläne schmieden. Eines ist sicher: Jürgen Bischof will sich neuen Herausforderungen stellen. „Es wird ftir mich noch mal spannend“, sagt er geheimnisvoll.