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„Machen Sie mal, Herr Bischof“

Prenzlauer Zeitung vom 10.08.2020

Von Mathias Scherfling

Jürgen Bischof kann man in der Uckermark getrost als Institution bezeichnen. Nun feiert er sein 40. Jubiläum als Musikschuldirektor. Am Anfang als jüngster in der DDR – inzwischen ist er der dienstälteste Musikschulleiter in Deutschland.

Jürgen Bischof 2019 in der Maria-Magdalenen-Kirche Templin bei der Aufführung der „Lieder des Heiligtums“ von Karl Jenkins mit den Preußen und dem Kammerchor Prenzlau. (Foto: Franz Roge)

Jürgen Bischof 2019 in der Maria-Magdalenen-Kirche Templin bei der Aufführung der „Lieder des Heiligtums“ von Karl Jenkins mit den Preußen und dem Kammerchor Prenzlau. (Foto: Franz Roge)

Kreismusikschuldirektor Jürgen Bischof sitzt in seinem Büro und erzählt. In seiner nun 40-jährigen Tätigkeit als Leiter dieser Institution hat sich natürlich einiges angesammelt. Aber beginnen wir am Anfang. Prenzlau.

Damals in der DDR sei es üblich gewesen, dass Hochschulabsolventen über die sogenannte Absolventenlenkung dorthin gehen mussten, wo der Staat sie brauchte. „Wenn man keinen guten Grund hatte, dies abzulehnen, musste man wirklich dahin gehen, sonst konnte einem das Staatsexamen aberkannt werden“, schmunzelt Jürgen Bischof. Wenn man, wie er, zuvor in Erfurt, Weimar und Dresden gelebt hatte, war die Uckermark natürlich weit weg. Dennoch fiel seine Entscheidung auf Prenzlau. Ausschlaggebend sei die gute Bahnverbindung gewesen. „In den ersten Jahren bin ich oft am Wochenende in die Heimat gefahren.“ Um das Jahr 1980 sei die Personaldecke der damaligen Musikschule Prenzlau so dünn gewesen, dass man nicht wusste, wie lange sie noch besteht. „Als mich mein Chef Wilhelm Stein nach einem Jahr fragte, ob ich sein Stellvertreter werden wollte, dachte ich, dass ich das ein Jahr machen könnte. Also sagte ich zu. Wieder ein Jahr später fragte er mich, ob ich nicht den Posten übernehmen wollte – also bin ich da sozusagen reingestoßen worden.“ Man habe Bischof halten, ihm quasi eine Perspektive bieten wollen. „Damit war ich mit knapp 25 Jahren der jüngste Musikschuldirektor der DDR.“

Zu dieser Zeit sei er Musiklehrer und Chorleiter gewesen. Von solchen Dingen wie Personalangelegenheiten habe er damals überhaupt keine Ahnung gehabt. „Dennoch habe ich dann Schritt für Schritt die Musikschule aufgebaut, damit sie auch eine Zukunft hat.“ Dabei sah die Situation nicht rosig aus. So hatte die Musikschule in der Schwedter Straße nur zwei Büroräume. Dazu gab es für den Unterricht Räumlichkeiten im Kulturhaus und in den städtischen Schulen. In den Gebäuden sei die Musikschule nur geduldeter Gast gewesen. Eigene Räume seien keine vorhanden gewesen. „1980, mit meiner Ernennung zum Direktor, kam dann der Umzug in die Diesterwegstraße, in ein ehemaliges Militärgebäude. Dort haben wir im oberen Stockwerk eigene Räume bekommen.“ Das sei seine Bedingung gewesen.

Politische Wende in seiner Funktion „überlebt“

Erst nach der Wende war es der politische Wille, dass die Musikschule einen eigenen Standort bekommt. Und 1995 war es so weit. Das ehemalige Wehrkreiskommando in der Karl-Marx-Straße wurde nach Um- und Ausbau mit einem spiegelgleichen Anbau versehen. Beide Gebäudeteile wurden mit einem schallentkoppelten Treppenhaus verbunden, einmalig für eine Musikschule in Brandenburg.

Im Prinzip habe Jürgen Bischof die Deutsche Demokratische Republik mit allen ihren Höhen und Tiefen miterlebt. Dennoch ist er der Meinung, dass das Ausbildungssystem in der DDR nicht das schlechteste war. „Die Musikschule war damals schon auf Leistung ausgerichtet.“ Die Wende sei dabei beruflich kein großer Einschnitt gewesen. Wenn auch die Vergangenheit der Schulleiter, die schon in DDR-Zeiten Verantwortung trugen, auf die Goldwaage gelegt worden sei. Jürgen Bischof habe die Abstimmung im Kollegium aber unbeschadet überstanden. „Da bekam ich die Chance, auf Grundlage der freiheitlich demokratischen Grundordnung weiterzumachen.“ Andere hätten damals nicht so viel Glück gehabt.

1993/94 kam die Kreisgebietsreform. „Schwedt war damals kreisfreie Stadt, dort gab es unter anderem das riesige Kulturhaus. Deshalb behielt Schwedt seine Musikschule.“ Mit der Neubildung des Kreises wurde auch die Kreismusikschule gegründet. Dafür wurde die Stelle eines Kreismusikschuldirektors ausgeschrieben. Jürgen Bischof bewarb sich, wurde 1995 berufen und durfte im Anschluss die Kreismusikschule aufbauen. „Es war wieder eine Herausforderung, die Musikschulen im neuen Landkreis zusammenzuführen.“

Ein ganzes Arbeitsleben der Musik gewidmet
Fast gleichzeitig übernahm er auch die Leitung des Preußischen Kammerorchesters, welches damals vor dem Abgrund stand. Ein paar Jahre darauf wurde die Uckermärkische Kulturagentur gegründet, dessen Leitung Jürgen Bischof ebenfalls übernahm. Ein Füllhorn voller Aufgaben. Die nicht immer einfach waren. Beispielsweise als Anfang der 2000er Jahre die kontroverse Entscheidung des Kreistages fiel, alle festangestellten Musikschullehrer zu entlassen.

Inzwischen hat sich die Lage etwas geändert. Der Landkreis hat wieder Stellen für hauptamtliche Lehrkräfte geschaffen, was Jürgen Bischof sichtlich freut. „Meine nächste Etappe ist, die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter zu verbessern.“ Zum einen die entsprechende Einstufung als festangestellte Mitarbeiter, aber auch die neue Honorarordnung. Sodass inzwischen Honorare gezahlt werden können, die auch auf Landesebene mithalten. Auch die Schaffung weiterer Stellen sei wichtig. „Im letzten Abschnitt meines Daseins als Kreismusikschuldirektor hatte ich nun auch noch das ,Vergnügen’, die Corona-Krise mitzumachen. Wo die Schule einfach mal für mehr als zwei Monate komplett geschlossen wurde.“ Das sei eine völlig neue Erfahrung gewesen. Sei es immer noch. Mit allem, was dazugehört. Man wisse bisher nicht, wie genau es weitergeht, auch für Eltern, die durch Corona in finanzielle Schwierigkeiten geraten seien. „Solange ich hier noch Direktor bin, wird kein Kind die Musikschule verlassen, weil es finanzielle Schwierigkeiten wegen Corona gibt.“ Sonst habe er vierzig Jahre umsonst gearbeitet.

Ein bisschen stolz ist Jürgen Bischof darauf, dass er immer von Null angefangen hat. „Die Musikschule. Ich habe den Uckermärkischen Konzertchor – damals hieß er noch Uckermärkischer Volkschor – übernommen, der auch in Auflösung begriffen gewesen war.“ Mit 20 Sängern hat er angefangen, nach ein paar Jahren sei der Chor auf 70 angewachsen. Auch den Jugendchor im Prenzlauer Gymnasium habe er gegründet. „Das Orchester habe ich übernommen, als dieses ebenfalls aufgelöst werden sollte.“

Damals habe der zuständige Chef zu ihm gesagt: „Nun machen Sie mal, Herr Bischof.“ Und das hat er geschafft. Wobei er betont, „dass ich immer tolle Leute hatte, die mich bei diesen Aufgaben unterstützt haben. Ohne diese Unterstützung hätte ich es nicht geschafft.“