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19.04.2019: Karfreitagskonzert

Prenzlauer Zeitung vom 24.04.2019

Chöre setzen Achtungszeichen in großem Werk

Von Mathias Scherfling

Zwei unterschiedliche Kompositionen standen auf dem Spielplan des Karfreitagskonzertes in der Prenzlauer Nikolaikirche. Was die Mitwirkenden in großer Besetzung darboten, beeindruckte das Publikum am Ende ganz offensichtlich.

Karfreitagskonzert am 19.04.2019 in der Prenzlauer Nikolaikirche; Foto: Franz Roge

Prenzlau. Die spezielle Akustik von Kirchen macht es umfangreichen Musikensembles nicht eben leicht, große sinfonische Werke der Musikliteratur in ansprechender Weise zur Aufführung zu bringen. Lange Nachhallzeiten können den positiven Gesamteindruck empfindlich stören. Da bildet die Nikolaikirche in Prenzlau keine Ausnahme. Insofern ist es beeindruckend, dass die Uckermärkische Konzertagentur mit der „Unvollendeten“ von Franz Schubert am Karfreitag ein solches Werk auf den Spielplan setzte. Ein Stück, dessen Dramatik durch Melodie und Klangfarbe besticht. Als Premiere wurde das Preußische Kammerorchester an diesem Abend von Musikern der Neuen Philharmonie MV verstärkt.

Im Jahr 1822 hatte Franz Schubert eine Sinfonie skizziert, aber nur zwei Sätze komplett ausgeführt. Beendet hat er die Arbeit nicht, obwohl er noch sechs Jahre lebte. Uraufgeführt wurde das verschollen geglaubte Fragment erst 1865. Nicht weniger als 37 Jahre nach Schuberts Tod. Schön war während des Konzerts von Anfang an zu beobachten, wie angenehm unaufgeregt Eugeniusz Kus das Ensemble leitete. So gelangen die leiseren Stellen der Sinfonie ausnehmend klar und durchscheinend. Denn Schubert bietet, anders als Beethovens steter Kampf gegen das Schicksal, eher einen schmerzlichen Abschied von Liebgewonnenem, den Verzicht vor der Übermacht des Geschicks. Es ist nur eine Vermutung, aber vielleicht liegt hier der Grund, warum Franz Schubert seine Arbeit nicht beendete. Zwei sehr melancholische, ja traurige Sätze. Wie sollte er diese Sinfonie fertigstellen?

Ganz anders präsentierte sich das Hauptwerk des Abends. Das „Stabat Mater“ hat einige der großen Meister dazu inspiriert, bedeutende oratorische Kompositionen zu schaffen. Es geht auf ein mittelalterliches Gedicht zurück, dessen Titel „Stabat Mater dolorosa“ (zu Deutsch: „Es stand die Mutter schmerzerfülIt“) ist. Die Gottesmutter besingt darin ihren Schmerz um den gekreuzigten Sohn. Ein dramatischer Inhalt also. Somit wundert es nicht, dass die Version von Gioachino Rossini unter den zahlreichen Kompositionen des „Stabat Mater“ sicher eine besondere Position einnimmt. Wobei der Meister der Belcanto-Oper auf einige seiner wohlbekannten typischen Mittel der Melodik und Instrumentation zurückgegriffen hat. Beispielsweise weist er den Sängern geradezu ariose Soloaufgaben zu.

Am Konzertabend waren neben den Solisten Mitglieder aus nicht weniger als drei Chören versammelt, um das Werk zur Aufführung zu bringen. Und eins schon vorweg, die Stellen zum Finale, in denen der Chor nahezu ohne oder im Wechsel mit Orchesterbegleitung agierte, gehörten mit Sicherheit zu den absoluten Höhepunkten dieses Konzerts. So klar, filigran und durchscheinend brachten die knapp 80 Sängerinnen und Sänger des Uckermärkischen Konzertchores, des Berliner Oratorienchores und des Vokalensembles Camerata Nova Stettin das imposante Werk zu Gehör. Da haben die Chorleiter wirklich perfekte Vorarbeit bei der Einstudierung geleistet. Als Solisten fungierten Laura Zaman (Sopran), Gundula Hintz (Mezzosopran), Wagner Moreira (Tenor) und Haakon Schaub (Bass-Bariton).

Das Finale zum Ende des Gebets, in welchem Chor und Orchester abwechselnd zum Einsatz kamen, erinnerte zwischenzeitlich entfernt an Händels Messias, was sicher damit zu tun hat, dass hier ebenfalls „Amen“ gesungen wurde. Aber Rossini machte etwas ganz Eigenes daraus. Etwas, was den Zuschauer beeindruckt und beseelt zurückließ. Da erschien es beinahe logisch, dass nachdem in der Nikolaikirche der letzte Akkord verhallt war, erst zögernd und dann immer heftiger Applaus und einzelne Bravo-Rufe einsetzten.