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22.06.2013: Carmina Burana

Rezension des Berliner Musikjournalisten und Kritikers Peter Buske vom 23.06.2013

Weichgespülte „Carmina Burana“

Von Peter Buske

Prenzlau. Rechtzeitiges Erscheinen sichert die besten Plätze, auch in der Freilichtbühne auf dem Laga-Gelände, wo in zwölf Themengärten die grüne Wonne sprießt und gedeiht. Hier nun fand am Samstag mit der Aufführung von Carl Orffs „Carmina Burana“ das kulturelle Highlight in Floras Wunderwelt statt. Zwölf Minuten vorm 20-Uhr-Konzertstart beginnt der Einmarsch der Chorsänger, von ihren Fans lautstark bejubelt. Sage und schreibe 298 Choristen sind es schließlich, die sich auf der Bühne drängen. Der größte Teil von ihnen – vom Uckermärkischen Konzertchor Prenzlau über die Kollegen der Stettiner Ensembles Collegium Maiorum und Camerata Nova bis zu Querbeat Templin – sind Laiensänger. Hut ab vor ihrem Engagement und begeisternden Mut, sich an diesem lobenswerten deutsch-polnischen Projekt zu beteiligen!

Es wurde von der Uckermärkischen Kulturagentur geplant, organisiert und von Jürgen Bischof künstlerisch koordiniert. Eine Heidenarbeit, glänzend bewältigt! Sechzig Musiker der Stettiner Philharmonie, vier Gesangssolisten und ein Dirigent (Eugeniusz Kus) vervollständigen das Aufgebot. Dem erwarteten mitreißenden „O Fortuna“-Start folgt die erste Enttäuschung in der rappelvollen Arena, denn es erklingt ein langweilig gespielter Reigen. Diesem merkwürdigen Entree folgt der Auftritt der rbb-Moderatorin Carla Kniestedt. Schwamm drüber. Doch dann kann Fortuna endlich ihr Glücksrad drehen.

Mächtig gewaltig, sauber und homogen tönt es aus den Sängerkehlen. Es macht Freude, den getrennt oder gemeinsam singenden, bestens einstudierten Frauen- und Männerabteilungen zu lauschen. Doch hätte die gestalterische Intensität, einzufordern gewesen durch den Dirigenten, auch in den folgenden Gesängen durchaus noch größer sein können. Die philharmonische Begleitung glich dagegen eher dem Spiel einer Kurkapelle: unsauber, rhythmisch unpräzise, spannungslos, ohne Biss. Nicht weniger hörstrapaziös die „Arien“ der drei stimmlich überforderten Männersolisten, während Sopranistin Miriam Sharoni alle und alles überglänzt. Riesenjubel, Minifeuerwerk, „O Fortuna“-Dacapo.


Prenzlauer Zeitung vom 24.06.2013

„Na, habe ich zu viel versprochen?“

Carmina Burana 2013 (Foto: Claudia Marsal)
Carmina Burana 2013 (Foto: Claudia Marsal)
Carmina Burana2013 (Foto: Claudia Marsal)Eine furiose Aufführung der legendären „Carmina Burana“ erlebt Prenzlau am Wochenende. Sänger und Musiker aus Deutschland und Polen brillieren auf der Freilichtbühne. Am Schluss gibt es  stehende Ovationen.

Von Claudia Marsal
Prenzlau. Joachim Köppen hatte seiner Frau schon lange mit Carls Orffs Meisterwerk in den Ohren gelegen. „Wenn die ,Carmina Burana‘ mal in Prenzlau aufgeführt wird, müssen wir hin“, hatte es bei ihnen immer  geheißen. Es versteht sich somit von selbst, dass das Ehepaar aus Grünow am Sonnabend keine Einladung brauchte, um zur Freilichtbühne zu fahren. „Schon als wir im Uckermark Kurier die Ankündigung gelesen hatten, waren wir ganz aus dem Häuschen.“ Und so wie sie weit über 2000 andere Menschen auch. Dichtgedrängt sitzen sie an diesem lauen Juniabend auf den Holzbänken im LAGA-Seepark und warten dass  Dirigent Eugenius Kus erscheint. Dass es noch zuvor fast tumultartige Szenen beim Kampf umdie Sitzplätze gegeben hatte, ist vergessen, als der Stettiner den Taktstock erhebt.

Mucksmäuschenstill wird es auf der Freilichtbühne. Die Anwesenden warten auf das, was als riesiges Gemeinschaftsprojekt von deutschen und polnischen Mitwirkenden in die Geschichte eingehen wird, weil es  hunderte Sänger und Musiker dies und jenseits der Oder vereint. Es ist ein sehr anspruchsvolles Werk, unbenommen. Aber eins, das die Menschen immer noch zutiefst bewegt. Kein Werk des 20. Jahrhunderts wird  öfter aufgeführt als die „Carmina Burana“, überall auf dem Globus. Und Chorleiter Jürgen Bischof, der die Idee zu der deutsch-polnischen Kooperation hatte und sie maßgeblich mit seiner Uckermärkischen Konzertagentur umsetzt hat, sagt im Interview zu Moderatorin Carla Kniestedt ganz kühn, dass „jeder Chorsänger, der gelebt hat, eigentlich nur gelebt hat, wenn er das einmal mit aufgeführt hat.“

„Dabei verlangt Carl Orff viel von seinen Sängern“, wie es die Moderatorin dem Abend vorwegnimmt: „Kein kunstvolles Geschnörkel singen, sofort expressiv da sein, den drängenden Rhythmus der Musik  aufnehmen. Das ist gerade für Laien eine große Herausforderung.“

Möglich geworden war das Mammutvorhaben, für das die Teilnehmer monatelang geprobt hatten, vornehmlich durch die Unterstützung der Sparkasse Uckermark, deren Vorstandsvorsitzender Wolfgang Janitschke  der Aufführung persönlich beiwohnte. Als der letzte Ton verklungen ist, gibt es stehende Ovationen. Auch Joachim Köppen und seine bessere Hälfte applaudieren heftig und er flüstert stolz: „Hab ich‘s dir doch gesagt,  ein Meisterwerk… Habe ich dir zu viel versprochen?“
Carmina Burana 2013 (Foto: Claudia Marsal)

 


Uckermark-TV vom 22.06.2013

Carmina Burana begeistert

Musikalischer Höhepunkt auf der LAGA – Über 3000 Besucher füllen Freilichtbühne

Prenzlau. Es war das Sommerhighlight für Musikfans auf der Landesgartenschau Prenzlau. Carl Orffs Carmina Burana in polnisch- uckermärkischer Besetzung vorgetragen lockte mehrere tausend Besucher in die Freilichtbühne. Hintergrund der Zusammenarbeit sind die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem pensionierten Stettiner Musikprofessor Eugeniusz Kus und dem Prenzlauer Kreismusikschuldirektor Jürgen Bischof. Ihre Chöre sowie weitere aus Uckermark und Polen ließen am Samstag ihre Stimmgewalt erklingen.


Prenzlauer Zeitung vom 22.05.2013

Streng gegliederte Komposition siegt über stilistische Freiheit

Am 22. Juni werden Hunderte Stimmen auf der LAGA-Bühne Carl Orffs „Carmina Burana“ aufführen. Sie kommen aus dem ganzen Kreis, sind Laien. Was treibt sie an?

Von Carla Kniestedt

Uckermark. Den Konzertchor Prenzlau kenne ich nun, die Kinder in der Gerswalder Schule habe ich belauscht, die Prenzlauer auch. Nun sind die Großen dran. Die aus Templin vom noch jungen Chor „Querbeat“.  Montagabend proben sie im Gymnasium, hat mir Chorleiterin Ulrike Strohfeldt gesagt.

Ich bin überpünktlich. Es ist geradezu unheimlich still vor der Schule – und drinnen auch. Der große Raum, in dem sonst die Gymnasiasten unterrichtet werden, auch das außerordentlich erfolgreiche Vokalensemble  des Gymnasiums probt, liegt verwaist vor mir. Neugierig schaue ich mich um. Probenpläne, Zeitungsausschnitte von Konzerten, Artikel zur Situation der musikalischen Bildung im Land – und ein Zitat von Ludwig van Beethoven: „Der Mensch, der nicht Musik hat in sich selbst, taugt zu Verrat und Zwist. Trau keinem solchen!“ Was das Genie nicht alles wusste, denke ich, und, da werde ich ja gleich lauter Menschen kennenlernen, denen Verrat und Zwist völlig fremd sind. Denn sie haben Musik in sich.

Als Erstes kommt die „Chefin“ in den Raum. Ulrike Strohfeldt war mir schon bei der ersten großen Probe in Prenzlau aufgefallen. Eine kleine Frau, sehr diszipliniert und damals mit der Aufgabe betraut, erst einmal  ausschließlich und separat mit allen Männern zu üben. Sie sprach, wenn es nötig war, aber auch wirklich nur dann. Sie wird streng, wenn es nötig ist, aber wirklich nur dann. Sie scheint tatsächlich für die Musik zu  brennen. Und ehrgeizig ist sie auch, schien mir. Oder wie würde sie die Genauigkeit beschreiben, mit der sie an ihre Proben herangeht? Ich frage sie, möchte wissen, ob von Anfang an klar war, dass „Querbeat“ mitmachen wird bei der Carmina? Sie schaut ein wenig skeptisch, denkt nach. Ich habe den Eindruck, dass diese vermeintlich einfach zu beantwortende Frage viel komplizierter ist, als ich annehme. Sie spricht davon, dass dieser Chor ihr im Grunde von den Mitgliedern abgerungen wurde, nach jahrelangem Bitten. Dass sie richtig darüber nachdenken musste, ob das eine gute Idee ist. Vor allem die Frage, was genau wollen wir denn singen? Was wollen wir anders machen als die Chöre, die es schon gibt? Bei allem, was sie sagt, schwingt viel Respekt mit gegenüber denen, die nun bei „Querbeat“ mitmachen. Lauter Menschen, die ihren  eigenen Kopf und ihre Lebenserfahrung haben, die ziemlich genau sagen konnten: Wir wollen stilistisch offen sein, unsere ganz eigenen Interpretationen finden, singen, was uns gefällt. Und das sind komplett unterschiedliche Kompositionen aus vielen Jahrhunderten. Die streng gegliederte Carmina von Orff ist eigentlich der glatte Gegenentwurf zu all dem. Ein durchkomponiertes Stück, sehr anstrengend für Laien. Das  geforderte expressionistische Singen kostet viel Kraft. Freiheiten für ganz eigene Interpretation – Fehlanzeige.

Inzwischen hat sich der Raum gefüllt, ich bitte darum, einige Fragen stellen zu dürfen, bevor geprobt wird. Und spüre wieder die gleiche abwartende Vorsicht. Hier, das kommt irgendwie bei mir an, geht es um  Musik, natürlich. Aber eigentlich geht es um viel mehr: um Identität, um das Ernstnehmen jedes Einzelnen, darum, gemeinsam mit diesem Chor etwas ganz Eigenes auf den Weg zu bringen. Und beim Blick in die  abwartenden Gesichter wird mir sehr klar, wie naiv meine Annahme war: Chorleiterin kommt mit Idee und sagt an, dass bei der Geschichte mitgemacht wird. Nein, so einfach und einfallslos geht das mit diesen  Menschen nicht. Die wollen mitreden und nachdenken. Darüber, ob dieses große Gemeinschaftsprojekt auf der LAGA überhaupt zu ihnen passt? Ob damit vielleicht die gerade gefundene Identität aufgegeben wird. Und dann noch die ganz praktischen Fragen. Ist diese Aufgabe nicht eine Nummer zu groß, kommt sie vielleicht zu früh? Schaffen wir das überhaupt stimmlich? Und auf der anderen Seite die, die geradezu  euphorisch waren, als der Vorschlag auf dem Tisch lag. Und dann, frage ich, wie schafft man es, so gegensätzliche Meinungen zu einer Chormeinung zu formen? Man hätte ja auch jedem Einzelnen die Entscheidung  überlassen können, mitzumachen, auch ohne Chor. Der Aufruf in der Zeitung ließ diese Variante zu. Verblüffend schnell kommt auf diese Bemerkung das „Nein“, von allen Seiten. Wir gehören zusammen, so höre ich,  und also wird erst mal nach einer Antwort gesucht, die alle mittragen können. Und sie wurde gefunden. Sie machen mit. Ein Glück, finde ich, und verschwinde – endlich, wie die meisten Chormitglieder erkennbar  denken – aus dem Probenraum.

Sie üben und werden auf hohem Niveau singen mit den anderen in Prenzlau – Teil des Ganzen und doch ganz sie selbst. Am 29. September im Leipziger Gewandhaus beim Chorfest werden sie auch die „Carmina  Burana“ gestalten. Weil sie eben gut sind, zusammen.


Prenzlauer Zeitung vom 17.05.2013

Fortuna lebt in der Uckermark

Am 22. Juni werden Hunderte Stimmen auf der LAGA-Bühne Carl Orffs „Carmina Burana“ aufführen. Sie kommen aus dem ganzen Kreis, alle sind Laien. Was treibt sie  an? Teil 2 des Probentagebuchs.

Von Carla Kniestedt

Probe zur Carmina Burana 2013 (Foto: Carla Kniestedt)Uckermark. Dass der Konzertchor Prenzlau mitmacht, das ist klar. Dass seine Sänger dieses anspruchsvolle  Werk schaffen, davon ist Chef Jürgen Bischof überzeugt. Es ist für sie auch nicht das erste Mal, dass sie sich  mit der „Carmina Burana“ befassen. Aber die anderen Chöre, für die ist das Neuland.

Bei der ersten großen Probe in Prenzlau fielen mir die Kinder auf. Gut vorbereitet, konzentriert und mit viel Spaß verblüfften sie Jürgen Bischof und die Großen eindeutig. Weil sie schon so sicher waren. In der Melodie und im Text. Auf die Frage, ob sie denn verstünden, was sie da singen, sagten die Jungs: „Nee, nicht wirklich…“ Worauf eines der Mädchen sofort energisch eingriff: „Ist auch besser, die Texte sind nämlich ziemlich, naja, schweinisch…“ Auf meine verblüffte Frage, wer das denn sage, kam die Antwort: „Na unsere Chorleiterin. Die  Frau Nelken.“ Aha, na dann, auf zu den Kindern und Frau Nelken, Montag, später Mittag, Grundschule  Gerswalde.

Dieser Chor ist ganz neu. Extra gegründet für die Aufführung der „Carmina Burana“ auf der  Landesgartenschau. Die junge Frau im gar nicht strengen Chorleiteroutfit kommt aus Berlin angereist. Sie ist  eine von den vielen im Land, die gut ausgebildet sind. Sie hat an der Universität der Künste von Berlin den  Bachelor of arts gemacht. Nun ist sie freiberuflich unterwegs, auch im Auftrag der Kreismusikschule  Uckermark. Die junge Frau muss schon sehr mögen, was sie tut, wenn sie fürs Arbeiten stundenlang durch die Gegend fährt. Aber die Kinder, die lieben sie offenbar, und sie warten. Lauter Mädchen. Obwohl doch Carl Orff ausschließlich Jungs vorgesehen hat fürs Mitsingen in der „Carmina“. Agi Nelken nickt und sagt völlig entspannt: „Das ist doch egal, wir  machen sowieso einiges anders, damit die Kinder richtig zu tun bekommen.“ Was sie damit meint ist einfach erklärt. Eigentlich sind es nur zwei Stücke, die von den Kindern gesungen  werden. Am Abend in Prenzlau aber dürfen sie auch bei den Chören mitmachen, gleich am Anfang zum Beispiel. Die Kinder kommen aus den Orten rund um Gerswalde. Die gesamte  Chorgründung ist ein, wie ich finde, ziemlich raffinierter Plan: Eltern, die mitsingen im Konzertchor, hatten die Idee. Und so wird das Schöne mit dem Nützlichen verknüpft: Die Kinder  machen Musik unter ihresgleichen – und die ganze Familie verbringt am Abend des Konzerts die Zeit gemeinsam auf der Bühne. Es soll aber weiter gehen mit dem Chor, wenn das  Konzert vorbei ist, „gerne auch mit Jungs“, so Agi Nelken.

Die Prenzlauer Kinder warten in der Musikschule auf sie. Der Raum ist klein, etwa zehn Kinder sind da, Agi Nelken geht ans Klavier und versucht, so etwas wie Konzentration herzustellen. Ich bewundere ihre geradezu engelsgleiche Geduld. Es wird gesungen – und geredet. Was für eine Sprache ist das, Frau Nelken? Latein, wird geantwortet. Herr Bischof sagt aber, dass sei Französisch, fällt einem der jungen Künstler ein. Worauf ein anderer sofort erklärt, dass das nicht sein könne, weil Französisch nämlich viel schwerer sei… Agi Nelken  erklärt, dass im Grunde beides stimmt. Die Texte der „Carmina Burana“ sind zum Teil deutsch, einige Latein, manche französisch. Da fällt mir ein, dass das doch die passende Stelle ist, die Sache mit den „schweinischen Texten“ aufzuklären. Agi Nelken lacht. „Ob ich es nun ganz genau so gesagt habe, keine Ahnung. Aber es stimmt schon, der Inhalt ist nicht ganz  jugendfrei. Den groben Inhalt erkläre ich den Kindern aber schon.“ Während ich mich davonschleiche, bin ich ein kleines bisschen neidisch. Darauf, dass diese Kinder sich ziemlich komplizierte Melodien in Windeseile merken. Wie schnell geht das bei den Großen? Bei „Querbeat“ zum Beispiel? Dieser Chor ist auch noch relativ jung – und hat eine höchst  anspruchsvolle Chorleiterin. Das muss ich heraus finden. Beim nächsten Mal.


Prenzlauer Zeitung vom 19.03.2013

Ganze Uckermark auf einer Bühne

Probe zur Carmina Burana (Foto: Carla Kniestedt)
Probe zur Carmina Burana (Foto: Carla Kniestedt)Am 22. Juni wird es soweit sein. Mehr als 200 Sängerinnen und Sänger erwecken die „Carmina Burana“ von Carl Orff auf der LAGA 2013 in Prenzlau zum Leben. Der Uckermark Kurier wirft heute bereits einen Blick in das Probentagebuch der Moderatorin Carla Kniestedt.

Uckermark. Mein Part ist eindeutig der einfachere, denke ich. Am Tag der Aufführung moderieren, was die Besucher hören werden. Und: Es ist so schade. Nur eine einzige Chance haben die Besucher der Landesgartenschau 2013 in Prenzlau, Gänsehaut zu bekommen. Nicht,  weil die Meteorologen kühles Wetter prophezeien. Nein, die Musik wird dafür sorgen. Die gewaltige Musik der „Carmina Burana“. Ich  weiß, dass es so kommen wird. Die Proben sprechen dafür. Es sind die ersten. Und ich sitze im Plenarsaal der Kreisverwaltung und bin  beeindruckt. Von den Sängerinnen und Sängern, von ihrer Disziplin, ihrem Mut, der guten Laune. Obwohl es Freitag Abend ist, 19 Uhr.  Eine Zeit also, in der man gerne nach einer langen Arbeitswoche die Füße hoch legt und zappend den Krimi im Fernsehen sucht. Die sich hier den Abend um die Ohren schlagen sind Laien, ihr Geld verdienen sie mit anderen Sachen. Sie machen das nach Feierabend aus Spaß  an der Freude.

Zwischen Kaltgetränken und mitgebrachtem Kaffee in Thermoskannen (fürs Wachbleiben) und Noten sitzen begeisterte Menschen und  proben. Jürgen Bischof, Leiter des Konzertchores, ist in seinem Element: „Na, wer hat denn da wieder stundenlang den Ton gesucht?“  Bevor ich als Beobachterin noch denken kann: Wie gemein! Sie tun doch alle, was sie können – bricht die gesamte singende Damenrunde  in Lachen aus. Und: „Noch einmal die Damen, geben Sie alles, denken Sie an die Leckereien, die gibt’s gleich“. Der Chef am Pult hat  Bestechungsschokolade mitgebracht. Für die Stimmung. Genau in dem Moment, als die ganz hohen Töne nicht so recht erreicht werden, die Erlösung in Form einer Ablenkung: Die bis dahin separat probenden Männer kommen dazu. Nach einigen Stunden ein erstes Fazit, aber nur ganz leise zu mir: Jürgen Bischof gesteht, dass dieser Abend für ihn eine echte Wundertüte war. „Seine“ Sänger vom  Konzertchor haben die Carmina Burana schon gesungen, da ist eine Basis einfach da. Aber im Saal sitzen auch andere Uckermärker, was  von denen zu erwarten war, das konnte er nicht wissen. „Sie hatten sich gemeldet?“

Gemeldet, frage ich, worauf? Und nun erfahre ich im Schnelldurchlauf die ganzeGeschichte. Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da gab es einen Aufruf in den Zeitungen: Wer Lust hat und sich zutraut, auf der LAGA die Carmina Burana mit zu singen, der solle sich melden. Und viele taten es. So werden nun also uckermärkische Laien, große und kleine, zusammen mit polnischen Sängerinnen und Sängern – großen  und kleinen, die Aufführung gemeinsam gestalten. Ein echtes regionales Projekt also.

Allein die Erstellung des Probenplanes ist eine Herausforderung. Alle Beteiligten unter einen Hut zu bekommen, das ist vermutlich die größte Schwierigkeit. Ich ahne es, als am zweiten Probentag, dem Sonnabend, erstmals die Kinder dazu kommen. Die aus Gerswalde, die aus Prenzlau. Die Stimmung ist gut, aber dennoch: Hier geht es nicht nur um den Spaß am Singen, hier geht es um korrekte Einsätze, den richtigen Ton, den bitte alle zugleich treffen sollten. Jürgen Bischof pirscht sich, ganz verständnisvoller Chef mit sanfter Stimme an die  versammelte Kinderschar heran und erklärt, worauf sie achten müssen: „Ich gebe den Einsatz, alles klar?“ Naja, theoretisch vielleicht.  Aber in echt? Die Kinder singen – und dann, allgemeine Begeisterung. „Die Großen“ beklatschen die Kleinen, geradezu gerührt sind sie.  Die Frauen und Männer sehen nicht einfach nur Kinder, sie sehen IHRE Kinder, IHRE Enkel….

Einzelne Passagen werden immer und immer wieder geprobt: „Noch mal vier Takte vor 102, wo sind eigentlich die zweiten Stimmen, es  geht hier nicht nur ums Schönsingen – ich will ein Schlagzeug hören. Hier vorn bin ich, Sie müssen schon nach vorn gucken“…. So geht das Stunden um Stunden. Und dann, vor der Mittagspause, nach dem „immer wieder ein paar Takte singen, abbrechen, nochmal von vorn dann der Versuch“, eine lange Passage so zu singen, als wäre genau jetzt ihr großer Auftritt. Ich bin selbst ganz aufgeregt, merke ich und  drücke die Daumen. Alle stehen auf. Und dann vibriert der Saal, kribbelt es im Bauch, kommt die Gänsehaut. O Fortuna!, der  Eingangschor zwingt mich zum zuhören, so gewaltig, so eindringlich singen die vielleicht hundert Menschen.

Ein noch nicht vollständiger Chor, der aus vielen Chören besteht, die nun weiter allein proben bis zum nächsten gemeinsamen Termin. Das ist sehr besonders. Ich möchte wissen, warum sie mitmachen, warum extra Chöre gegründet wurden für dieses Ereignis, wie man sich  mit den polnischen Ensembles verständigt und versteht…..viele Fragen. Ich mach mich auf die Suche nach Antworten.

 


Prenzlauer Zeitung vom 19.03.2013

Die Carmina Burana von Carl Orff und ihre beeindruckende Geschichte

Die kraftvolle Musik und ihre Botschaft erreicht die Menschen weltweit in seltener Einmütigkeit.

Von Carla Kniestedt

Probe zur Carmina Burana 2013 (Foto: Matthias Bruck)Uckermark. „Alles, was ich bisher geschrieben habe und was Sie leider gedruckt haben, können Sie nun einstampfen!“- so schrieb Carl Orff nach der erfolgreichen Uraufführung der „Carmina Burana“ 1937 an seinen Verleger. Der Komponist war ganz sicher, dass dieses Werk ihn überdauern würde. Und er hatte Recht: Kein Werk des 20. Jahrhunderts wird öfter aufgeführt, keines erreicht die Menschen weltweit in  seltener Einmütigkeit. So ist überliefert, dass ein chinesischer Hörer begeistert ausgerufen haben soll: „Wundervoll! Genau so wie die Musik bei uns vor 5000 Jahren“. Und ähnlich empfindet das jeder, der sie hört. Irgendetwas ganz Ursprüngliches, völlig Ungekünsteltes ist beinahe körperlich zu spüren beim Hören dieser Musik, die auch ohne musikwissenschaftliche Erklärung verstanden wird.

Was genau fasziniert Millionen seit dem Tag, an dem Carl Orff auf die Manuskripte einer alten Handschrift stieß? Er stöberte irgendwann 1934 in den Regalen eines Antiquariats in Würzburg. Und dann liest er sich fest in einem Buch, herausgegeben um 1847 von einem  Bibliothekar. Die Worte sind aber wesentlich älter.

Es handelt sich um eine Sammlung von 254 mittelalterlichen Gedichten und Liedtexten.  Geschrieben im 11. und 12. Jahrhundert, lange wusste man nichts von ihrer Existenz, bis sie dann Anfang des 18. Jahrhunderts im Kloster  Benediktbeuern gefunden wurden. Dort waren sie gut verborgen. Möglicherweise absichtsvoll so gut versteckt, vielleicht sollten sie gar nicht  gefunden werden – die Inhalte waren nicht eben gottgefällig und keusch.

Was sich vor den Augen Carl Orffs ausbreitete, war ein ziemlich deutliches und manchmal derbes, in jedem Falle aber bejahendes Besingen von dem, was das Leben aufregend und sinnlich macht: Die Liebe, nicht nur platonisch geschildert. Kneipenbesuche mit entsprechenden Folgen, durchaus auch Spottgedichte auf Klerus und Adel. Der harmlose Name „Carmina Burana“ verrät davon nichts, es ist im Grunde nur  die lateinische Übersetzung des Fundortes: Lieder aus Beneditkbeuren.

Orff wurde geradezu hinein gezogen in diese längst vergangene Welt – die aber bei ihm wie bei so vielen seiner Zeit die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, dem Elementaren, Einfachen weckte. Noch beim Lesen hörte  er sozusagen die ersten Töne. Und tatsächlich, am Abend entstand im Wesentlichen der Eingangschor der Carmina Burana. O Fortuna! – der römischen Schicksalsgöttin, verantwortlich für Zufall und Glück – oder  auch Unglück, wird gehuldigt, ihre Macht über uns Menschen anerkannt.

In wenigen Wochen hat sich Carl Orff 25 Texte heraus gesucht. Er hält sich keinesfalls an die vorgegebenen Längen der mittelalterlichen Texte. Manchmal nutzt er nur Einzelstrophen, sortiert neu. Und die Musik, die er komponiert, gibt sich keine Mühe, original mittelalterlich zu wirken. Es geht ihm um etwas anderes: er will nicht in romantische  Nostalgie zurück, er spürt dem echten, lauten, traurigen, fröhlichen Leben nach. So ist die Musik, lebensprall, stark vereinfachend in der Struktur. Selbst Nicht-Klassik-Fans spüren diese Kraft vom ersten Ton an.

Orff teilt diese „Szenische Kantate“, wie er sie nennt, in drei Teile. Im ersten geht es um das Erwachen der Natur, die ungeheure Sehnsucht der Menschen nach dem Frühling. Teil zwei führt den Zuhörer ins  Wirtshaus, überdeutlich wird dem außerordentlich irdischen Lebensgenusse und dem verantwortlichen Gott des Weines, Bacchus, gehuldigt. Teil drei dreht sich um die Liebe und ihre sehr verschiedenen  Erscheinungsformen. Auch wer die Texte nicht versteht, versteht diese Musik. Die Kraft der Melodien, die einfach wirken, manchmal sogar schlicht – vor allem aber sehr wahr, sehr menschlich und universell.


Anzeigenkurier vom 13.03.2013

Proben für Carmina Burana

Probe zur Carmina Burana 2013 (Foto: Matthias Bruck)Prenzlau (AK). In Prenzlau haben am Freitagabend die Proben für die Carmina Burana begonnen. Der Uckermärkische Konzertchor Prenzlau, der Templiner Chor Querbeat sowie mehrere Kinderchöre aus der Region probten am Freitag und am Samstag im Plenarsaal der Kreisverwaltung an dem bekannten Werk des Komponisten Carl Orff, das am 22. Juni auf der Landesgartenschau Prenzlau aufgeführt werden soll. Zu einem späteren Zeitpunkt kommen noch der Kammerchor Camerata Nova, der Konzertchor Majorum sowie ein Kinderchor aus Stettin und viele Einzelsänger hinzu. Spielen wird die Stettiner Pilharmonie. Insgesamt werden über 200 Sänger auf der Freilichtbühne im Prenzlauer Seepark stehen. Bereits im vergangenen Jahr hatte Jürgen Bischof Chöre aus der Region aufgerufen, sich an diesem Projekt zu beteiligen.

„Ich bin über die Resonanz auf diesen Aufruf sehr zufrieden. Diese Koproduktion ist nicht zuletzt ein Beitrag der gesamten Region und  unserer polnischen Partner zum Gelingen der bevorstehenden Landesgartenschau in Prenzlau“, stellte der Chorleiter fest.