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Riesenerfolg krönt harte Arbeit am „Stabat mater“

Templiner Zeitung vom 05.04.2023

Von Judith Engel

Jürgen Bischof, Leiter des Uckermärkischen Konzertchores und Organisator des Projektes, traute seinen Sängerinnen und Sängern des aus drei verschiedenen Chören eigens zusammengesetzten Projektchores zu Recht viel zu. Die erste Aufführung am Palmsonntag in Templin war pompös und ergreifend zugleich. Die zweite folgt am 7. April in Prenzlau.

"Stabat Mater" von Karl Jenkins am 02. April 2023 in der Maria-Magdalenen-Kirche Templin. Sie meisterten gemeinsam das Projekt: Preußisches Kammerorchester, Filmorchester Babelsberg,Uckermärkischer Konzertchor, Projektchor der Kantorei Templin (Einstudierung H. Pfläging), Chor der
Universität Szczecin (Einstudierung: A. Tarnowska) – unter der Gesamtleitung von Jürgen Bischof. (Foto: Judith Engel)

„Stabat Mater“ von Karl Jenkins am 02. April 2023 in der Maria-Magdalenen-Kirche Templin. Sie meisterten gemeinsam das Projekt: Preußisches Kammerorchester, Filmorchester Babelsberg, Uckermärkischer Konzertchor, Projektchor der Kantorei Templin (Einstudierung H. Pfläging), Chor der Universität Szczecin (Einstudierung: A. Tarnowska) – unter der Gesamtleitung von Jürgen Bischof. (Foto: Judith Engel)

Uckermark. Als die Chöre, die Solistinnen und Solisten sowie das Orchester am Beginn des Konzertes in der Maria-Magdalenen-Kirche in Templin ihre Plätze einnehmen, ahnt man im Publikum schon das Ausmaß an Klangentfaltung, das einen erwartet. Die Chöre aus Szczecin, Templin und Prenzlau nehmen in sieben Reihen dicht an dicht Aufstellung, im Orchester sieht man Trompeten und Posaunen, Hörner und Holzbläser, viele Streicher, sogar eine Harfe und mehrere Schlagwerker an teils ungewöhnlichen Instrumenten.

Das Konzert beginnt mit Auszügen aus César Francks (1822 bis 1890) Oratorium „Die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz“ (1859), das in Fachkreisen als „anspruchsvoll“ gilt und inhaltlich wie musikalisch für Karl Jenkins’ „Stabat mater“ inspirierend gewesen ist. Eindrucksvoll gestaltet Judith Simonis, eigentlich eine tiefe Altistin, den Sopran-Prolog „O vos omnes“ (O, Ihr alle), jenes vorangestellte Klagelied aus der Liturgie der Karfreitagswoche.

Anschließend erklingen die Worte Jesu in der traditionellen Reihenfolge des Passionsgeschehens und die auszugsweise gewählten Chorpassagen. Bischof wählt hier zum Teil sehr getragene Tempi, die den Sängerinnen und Sängern bereits einiges abverlangen. Bemerkenswert ist schon hier die gut studierte Artikulation der Konsonanten in den Texten. Hier und da wünschte man sich dynamisch im Orchester etwas mehr transparente Ausgewogenheit, beispielsweise, wenn die Harfe sich gegen die Blechbläser durchzusetzen versucht.

Karl Jenkins’ 2008 in Liverpool unter seiner eigenen Leitung uraufgeführtes Werk „Stabat mater“ beeindruckt in erster Linie durch eingängige Melodien, mitreißende Rhythmen und dramatisch anschwellende Dynamik sowie die sinnhafte musikalische Verknüpfung zweier Welten – der abendländischen und der morgenländischen, aus der Maria und Jesus stammten. Diese findet durch eine Vielzahl an arabischen Perkussionsinstrumenten, wie Tamburine, Darabuca und Cymbals und auch durch das Duduk, die armenische Flöte, Eingang in die andererseits von der westlich-christlichen Überlieferung geprägte Musik. Besonders die dramatischen Höhepunkte der Leiden Marias, unter dem Kreuz ihres Sohnes stehend, gestaltet Jenkins mit geradezu bildhaften, fast filmmusikalischen Aufschwüngen.

"Stabat Mater" von Karl Jenkins am 02. April 2023 in der Maria-Magdalenen-Kirche Templin. Auch der Auftritt der Altistin Judith Simonis gehörte zu den Momenten, die besonders berührten. (Foto: Judith Engel)

„Stabat Mater“ von Karl Jenkins am 02. April 2023 in der Maria-Magdalenen-Kirche Templin. Auch der Auftritt der Altistin Judith Simonis gehörte zu den Momenten, die besonders berührten. (Foto: Judith Engel)

Hier läuft der Chor zu seiner Hochform auf. Es kommt vor, dass das Klangvolumen der fast 100 Sängerinnen und Sänger sogar das Orchester übertönt. Weitere berührende Höhepunkte erlebte das Publikum vor allem durch die beiden Solistinnen, Judith Simonis – diesmal in gewohnter Altlage – und die eigens aus der Türkei angereiste Sängerin Dilek Türkan, die die in arabischer und aramäischer Sprache und ethnischer Singweise authentisch interpretierten Passagen berückend schön gestaltet.

Eine besondere Farbe steuert Jakub Rabizo, Zweiter Konzertmeister des Preußischen Kammerorchesters, bei. Er hat extra das Duduk zu blasen erlernt, jene armenische Flöte mit der eigentümlich dunklen und etwas rauen Klangfarbe, die durch das breite Mundstück aus Rohr entsteht. Im Zusammenklang mit Dilek Türkans inbrünstigem Gesang fühlt man sich im Innersten ergriffen. So auch in den Teilen sechs und neun, in denen die „Welten“ durch die beiden Frauenstimmen zusammengeführt werden. Judith Simonis füllt den Raum mit ihrer warmen, runden Stimme, gleichsam leidend und tröstend, während Dilek Türkans klagende Töne tiefe Rührung auszulösen vermögen. Jenkins Schlusssatz, das Paradisi gloriæ, bei anderen Komponisten oft sphärisch schwebend angelegt, ist ein Triumphgesang, der noch einmal alle Kräfte erfordert.

Die Chöre und das Preussische Kammerorchester, komplettiert mit dem Filmorchester Babelsberg, lassen den Kirchenraum erbeben. Das Publikum, in dem auch Altbundeskanzlerin Angela Merkel entdeckt wurde, spendet ausgiebigst Applaus und Standing Ovations, sodass Jürgen Bischof sich zu einer Zugabe hingerissen fühlt. Bewundernswert, wie der Chor das nach anderthalb Stunden im Stehen auch noch meistert.

Die zweite Aufführung findet am Karfreitag, dem 7. April, um 19 Uhr in der Nikolai-Kirche Prenzlau statt. Restkarten sind noch vorhanden.